Mein Jahr In Lemberg, 1911
Angizia
[ELIAS HOHLBERG]
Mutter! Mutter? Bin ich denn ein Kind von hier?
Ein Strolch bin ich, der dreht an seiner Leier.
Ein Judenbub, besessen gar von Seltsamkeit und Posse.
Hör an mein Leid, es quält mich bitter...
[ELIAS HOHLBERG, 17. MÄRZ 1911]
Ich schlief und erbat,
Dass die Welt mich versteht,
Dass ein jüdischer Traum
Keine Sünde gesteht.
Ich sann nach dem Spiel
Mit dem Kasten, mein Freund.
Ich drehte die Leier
Mit Herz und mit Leid!
[CHOR]
Spielt auf, ihr Kinder der Lemberger Zeit,
Meißelt den Klang, der die Juden befreit.
Spielt auf für die Zeit, die mein Leben begann!
Stimmt das Leben an!
[ELIAS HOHLBERG]
Ich trotzte das Leid mit kläglichem Klang,
Nachts zogen schier Bögen die Geigen entlang.
Wir kratzten an Bünden, die sonst niemand fand,
Wir machten Musik für das jüdische Land.
[CHOR]
Spielt auf, ihr Kinder der Lemberger Zeit,
Meißelt den Klang, der die Juden befreit.
Spielt auf für die Zeit, die mein Leben begann!
Stimmt das Leben an!
[ANNA HOHLBERG (ZU REINUN PERLMANNS GEIGENSPIEL)]
Hörst du die Geige,
Er spielt sie so weich...
Sein Spiel ist famos
...Und jüdisch zugleich.
Hörst du, Elias,
Du spielst doch noch kaum,
Hat dich der Kasten besiegt?
[ELIAS' BEKENNTNIS]
Nein, ich spiele den Kasten mit Mut...
Was soll ich denn spielen?
Musik für die Ruh?
[ERZÄHLER]
Das ist die Geschichte einer mutigen Tat;
Sie war eines Tages Elias' Verrat.
[ELIAS]
Nein, Mutter, nein,
Ich spiel' für mein Herz,
Mein Leben als Jude,
Es kostet mich Schmerz...
Musik ist mein Glück...
Und das ist, das ist mein!
[ELIAS, REZITATION]
Stört dich die Trauer, der elende Ton,
Die Schöpfung der Geigen, das Kratzen,
Mein Sohn?
[ERZÄHLER]
Elias war mutig, denn es klopfte sein Traum,
Als wollt' er besessen in sein Inneres schauen.
[ELIAS]
Nein, Mutter, nein,
Ich dreh' doch den Kasten,
Wem stört dieser Klang?
Was kratzt schon ein Bogen
Die Geige entlang?
Was kratzt mich dieser Ton?
[ANNA HOHLBERG]
Elias, dein Traum ist reich,
So mutig, doch klein...
Denn du träumst,
Denn du lebst zum Schein!
[ANNA HOHLBERG, MARKUS HOHLBERG]
Elias, wach auf, du lebst einen Traum!
[ELIAS]
Das ist mein Traum von Tönen und Klängen
Der fidelen Art... Das ist mehr als ein Traum!
[ERZÄHLER]
Sie hören eine Geschichte,
Die das Leben bezwang.
Sie glich einer Rüge
Für den jüdischen Mann!
[ANNA HOHLBERG]
Wach auf, ehe du schläfst,
Denn dein Traum ist voll Neid.
Wach auf, ehe du weißt,
Dass ein Traumbild dich teilt!
[ELIAS]
Was stört euch am Träumen?
Was soll mir der Kasten...
Am Leben versäumen?
Was nimmt's denn an Zeit?
[ELIAS' MUTTER]
Wach auf, ehe du schläfst,
Denn dein Traum ist voll Leid
Wach auf, ehe du glaubst,
Dass dein Kasten dich braucht!
[ELIAS]
Was stört euch am Träumen?
Was soll mir der Kasten...
Am Leben versäumen?
Wie bringt er mir Leid?
[ELIAS' MUTTER]
Wach auf, ehe du schläfst,
Denn dein Traum ist voll Neid.
Wach auf, ehe du weißt,
Dass ein Traumbild dich teilt!
[ELIAS]
Was stört euch am Träumen?
Was soll mir der Kasten...
Am Leben versäumen?
Wie bringt er mir Leid?
Gemeinsam mit seinen Freunden Mehmet, Reinun und Ithzak gründet Elias den
„Bund der Schläfer und Musikanten". Dieser versammelt die vier Buben
nächtlich, während im müden Lemberg alle Bürger ihre Träume schmieden, in
der Holzwerkstatt des Schnitzerbuben Mehmet Seedorf, um dort der Komik des
Lebens Tribut zu zollen. Hören Sie eine Moritat über den Schreinerbuben
Mehmet Seedorf, der willentlich stumpfen Holzklötzen Leben einhaucht, mit
seinen Marionetten spricht und gemeinsam mit Elias, Reinun und Itzhak das
jüdische Viertel Lembergs zu einer renitenten und frohgemuten „Zirkusstadt" erhebt.